Ohne meine Kinder wäre ich sowas von „lost!“
Ohne meine Kinder wäre ich sowas von „lost“, weil ich nämlich gar nicht wüsste, dass „lost“ ein neuer Anglizismus ist. Genauso wie „insane“ oder „creepy“ oder vielleicht sogar „random“, obwohl, der wurde so viel von meinem ehemaligen Arbeitskollegen verwendet, dass ich das vielleicht doch wüsste ;)
Meine Kinder halten mich ständig auf dem aktuellen Stand, was Jugendsprache angeht. Nicht dass ich als Schulsozialarbeiterin ständig in diesem Slang sprechen würde, da wären wir ja wieder bei der Peinlichkeit (siehe vorheriger Blog), aber ich muss unbedingt wissen was die Wörter bedeuten und wie sie eingesetzt werden. Sonst spreche ich mit meinen Jugendlichen und kann beim Verwenden dieser Begriffe nicht mehr wissend die Augenbrauen hochziehen und kurz souverän nicken.
Meine Kinder sind meine wandelnden Lexika. Inzwischen kann ich auch einfach nachfragen, wenn wieder das nächste neue (manchmal neue/alte Wort) kommt.
Seit neusten sagt man ständig wieder „ja moin“, als ob es das nicht schon gegeben hätte. Dann lächle ich so ein bisschen vergnügt in mich rein.
Aber es geht ja noch weiter:
Brandaktuell hat mein Bonussohn (Danke an Jesper Juul für diese Wortschöpfung, anstatt Stiefsohn) mir mein altes MacBook von 2010 so aufgepimpt (haha, manche Wörter snd halt doch in den eigenen Wortschatz übergegangen), dass ich es jetzt quasi wie ein neues benutzen kann.
Alles gesichert, zurückgesetzt, neustes mögliches Systemupdate durchgeführt, alle notwendigen Einstellungen ausgeführt und eine neue Festplatte eingebaut.
Ohne ihn hätte ich jetzt über 1000 € für ein neues iPad oder Ähnliches ausgeben müssen, da ich ja jetzt meine Online Präsenz mehr ausbauen will und das mit meinem uralten Geräten nun wirklich nicht mehr möglich ist.
Plötzlich kostet das „Kind“ kein Geld, sondern spart uns welches ein. Eine völlig neue Erfahrung.
Und damit hört es ja nicht auf: Mein großer Sohn ist Schreiner, unglaublich, ich habe so viel Zeit in diesen kleinen Kerl gesteckt- der heute gar kein kleiner Kerl mehr ist- und nun kommt er zu Besuch und nimmt mal kurz unseren unansehnlichen Küchentisch mit und macht da quasi einen Neuen draus.
Oder er befestigt schnell die lose Türklinke, schleppt, Möbelstücke und entsetzlich schwere Waschmaschinen in irgendwelche Stockwerke rauf oder runter und fährt mich zum Arzt, wenn mein Mann verhindert ist.
Ich schaue mir das mit Staunen an und bin beglückt.
Dann die stundenlangen Gespräche mit meiner großen Tochter.
Nach intensiver Kleinkind- und Kinderzeit, übliche Entfernung in der Pubertät, seit einigen Jahren eine enorme Annäherung und so eine große Nähe und so eine große Bereicherung.
Ich lerne immer aus unseren Gesprächen und als Literaturwissenschaft-Studentin, kann sie mir so viel beibringen. Als hoch emanzipierte Frau kennt sie sich z.B. in der Genderthematik inzwischen wesentlich besser aus als ich! Also wenn ich irgendwas dazu wissen will, rufe ich inzwischen meine Tochter an und nicht mehr umgekehrt.
Damit noch immer nicht genug: Als ich jetzt begonnen habe bei Instagram meinen Account aufzubauen, saß ich erst mal Vormittags mit meinem jüngsten Sohn in der Küche und habe mir alle Funktionen von Instagram erklären lassen. Geduldig, wenn auch ein bisschen belustigt, erklärte und zeigte er mir alles und überlegte noch mit mir zusammen wie ich mich am besten präsentieren könnte. Seine politischen Nachfragen regen mich so oft zum intensiven Nachdenken an und auch da beginnt es schon, dass ich manchmal ihn frage und nicht umgekehrt.
Der Ausspruch man bekomme von seinen Kindern alles zurück, bekommt nun eine neue Dimension.
Natürlich geht es dabei eigentlich um die Liebe.
Dieser Spruch meint nichts Materielles.
Natürlich ist die Beziehung, die ich zu meinen Kindern habe, das Bedeutende.
Genährt durch die Krisen, durch die wir schon gegangen sind und die immer wieder neue Annäherung. Und das Verzeihen von Fehlern, das Eingestehen von Schwächen und das gemeinsame Reflektieren über die Vergangenheit.
Auch das Vergeben, besonders auch Seitens der Kinder.
Die Trennungen ertragen mussten, die Situation mit einer alleinerziehende Mama aushalten mussten, meine Erschöpfungen und sich auf neue Menschen eingelassen haben.
Natürlich ist das gemeint mit „du bekommt alles zurück“.
Aber ganz ehrlich wenn ich dann hier sitze, an einem völlig neu gestalteten Computer, an einem professionell abgeschliffenen Tisch, mit meinen neuen Instagram account und mir noch mal die letzte Sprachnachricht von meiner Tochter anhöre, die mir sagt, es solle mir doch egal sein was andere Leute darüber denken, wie ich meine Onlinepräsenz jetzt aufbaue und ich soll das doch so machen, wie es für mich richtig ist!
Dann hat das einfach noch mal ein neue Qualität und löst eine große Berührung, Erstaunen und ein tiefes Dankbarkeitsgefühl aus.
In diesem Sinne, bleibt dran :)
Eure Daniela
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